Letzte Woche haben wir die letzten Zeilen des Buches Sch'mot gelesen, und diese Woche öffnen wir ein neues Sefer, das Buch Wajikra.
Man könnte fast sagen, dass dieses Buch von jenen, die Diwrei Tora schreiben müssen fast gefürchtet wird. Wie soll man ein Buch voller Tieropfer und Blut, uns fremden Konzepte wie Tum’ah und Tahara, ein Buch in dessen Zentrum eine Art G"ttesdienst steht, den wir heute nicht mehr praktizieren, wie soll man dieses Buch nehmen und daraus ein schön gestaltetes Dwar Tora schreiben, das sowohl tiefgründig als auch erbaulich ist?
Eine schwierige Aufgabe!
Stattdessen möchte ich ein wenig auf das Buch Wajikra in seiner Gesamtheit eingehen und Ihnen meine ganz persönliche Meinung dazu mitteilen, warum dieses Buch mir wichtig ist und was es für mich bedeutet.
Es gibt auch keine Reisen mehr: keine Migration von und nach K'naan wie in Bereschit, und keine Wanderung durch die Wüste wie in Sch'mot: die ganze Handlung von Wajikra findet an einem einzigen Ort statt.
Und unser Buch ist nicht nur statisch in Bezug auf Erzählung und Bewegung, sondern es ist auch ein Buch mit einem Gefühl von Unbeweglichkeit und Strenge. Dies, weil das Buch die Welt in verschiedene Kategorien aufteilt und mit Nachdruck auf diesen Demarkationslinien besteht.
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Gegenstände werden in heilige und profane Gegenstände aufgeteilt,
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die Tiere: in koschere und unkoschere Arten,
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das Volk: in Kohanim, Lewijim und Israel,
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persönliche Zustände: in tahor (rein) und tame (unrein)
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Es gibt auch eine räumliche Aufteilung: innerhalb des Mischkans sowie zwischen dem Mischkan und dem Rest des Lagers Israel, sodass das ganze Lager in der Wüste in konzentrische Kreise der Keduscha (Heiligkeit) aufgebaut wird,
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und letztlich verordnet das Buch Wajikra eine Aufteilung der Zeit in verschiedenen Heiligkeitsgrade: reguläre Tage, Chagim als Festtage, Schabbat, und der heiligste Tag, Jom Kippur.
Und es ist wahr, einige der Grenzen, die in Sefer Wajikra gezogen werden, können nicht überschritten werden:
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Eine unkoschere Tierart kann nicht koscher werden
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und ein Israel kann kein Kohen werden.
Der Kern des Buches Wajikra, so lese ich es auf jeden Fall, ist nichts anderes als das Erkennen, dass die menschliche Existenz alles andere als statisch ist, und die Beschreibung eines komplexen rituellen Systems, das Menschen durch ihre persönlichen Wechsel begleitet.
- Sie fühlen sich schuldig? Wajikra beschreibt den Prozess des Korban Ascham, der Sie hoffentlich beruhigen wird,
- Sie möchten ein heiligeres Leben führen? Wajikra beschreibt in den Kapiteln 17 bis 25 wie man das macht, im Sinne vom Umgang mit dem Leben der Tiere, im Sinne von einer Sexual-Ethik, und im Aufbau einer Gesellschaft, die auf wirtschaftlicher Gerechtigkeit beruht.
- Weiter gibt es einen Prozess für das Ablegen und Erfüllen von Gelübden,
- Es gibt Prozesse, die unsere körperlichen Übergänge ehren und markieren,
- und schliesslich beschreibt Wajikra auch, wie man in und aus den heiligen Zeiten kommt, wie man diese Zeiten mit Riten markiert.
וַיִּקְרָ֖א אֶל־מֹשֶׁ֑ה וַיְדַבֵּ֤ר ה' אֵלָ֔יו מֵאֹ֥הֶל מוֹעֵ֖ד לֵאמֹֽר׃
Und G"tt rief Mosche ...
Erinnern Sie sich an die letzten P'sukim von Sch'mot: Mosche vollendete den Zusammenbau des Mischkans und aller seiner Geräte bis ins Detail. Dann lesen wir:
(34) Da bedeckte die Wolke das Stiftzelt, und die Herrlichkeit G"ttes erfüllte das Mischkan.
(35) Und Mosche konnte nicht in das Zelt gehen, weil die Wolke darauf ruhte und die Herrlichkeit G"ttes das Mischkan erfüllte.
Genau hier beginnt das Buch Wajikra mit den Worten:
(א) וַיִּקְרָ֖א אֶל־מֹשֶׁ֑ה וַיְדַבֵּ֤ר ה' אֵלָ֔יו מֵאֹ֥הֶל מוֹעֵ֖ד לֵאמֹֽר׃
(1) Und G"tt rief Mosche, und redete zu ihm aus dem Stiftzelt und sprach.
Die Antwort des Buches Wajikra ist zweifach: Einerseits gibt es eine Keduscha, die räumlich-geografisch ist, dies entspricht dem Kodesch Kodaschim, der innerste Raum des Mischkans. Die zweite Keduscha aber, die liegt im Menschen selbst.
Diese zwei Sitze der Heiligkeit führen zu zwei Fäden im Buch Wajikra:
Der erste Faden ist örtlich: "Wie komme ich zum Zentrum der Keduscha?" Die Antwort Wjikras ist: durch die Opferrituale und insbesondere den Dienst des Kohen Gadol am Jom Kippur, der ihn in den innersten Raum des Mischkan führt, das Kodesch Kodaschim.
Der zweite Faden ist spirituell und psychologisch: wie komme ich in meinem Herzen dorthin: Die Antwort darauf sind die ethischen Vorschriften Wajikras, die wir in den Kapiteln 17 bis 25 lesen werden, am Höhepunkt dessen folgende berühmte Worten stehen:
(א) וַיְדַבֵּ֥ר ה' אֶל־מֹשֶׁ֥ה לֵּאמֹֽר (ב) דַּבֵּ֞ר אֶל־כָּל־עֲדַ֧ת בְּנֵי־יִשְׂרָאֵ֛ל וְאָמַרְתָּ֥ אֲלֵהֶ֖ם קְדֹשִׁ֣ים תִּהְי֑וּ כִּ֣י קָד֔וֹשׁ אֲנִ֖י ה' אֱלֹקֵיכֶֽם׃
(1) Und G"tt redete zu Mose und sprach:
(2) Rede mit der ganzen Gemeinde der Kinder Israels und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, Haschem, euer Gott!
Raschi bemerkt, dass in der Tora im Allgemeinen, wenn G"tt zu Mosche spricht, uns einfach gesagt wird:
וַיְדַבֵּ֥ר ה' אֶל־מֹשֶׁ֥ה לֵּאמֹֽר
"Und G"tt sprich zu Mosche und sagte..."
ויקרא אל משה. [...] לְשׁוֹן חִבָּה, לָשׁוֹן שֶׁמַּלְאֲכֵי הַשָּׁרֵת מִשְׁתַּמְּשִׁין בּוֹ, שֶׁנֶּאֱמַר וְקָרָא זֶה אֶל זֶה (ישעיהו ו') [...]
ויקרא אל משה Und G"tt rief — [...] Es ist eine Art, Zuneigung auszudrücken, die von den dienenden Engeln verwendet wird, wenn sie sich gegenseitig ansprechen, wie es heisst (Isaiah 6:3) “[Einer rief dem anderen zu: "Heilig, heilig, heilig ist Haschem, der allmächtige G"tt.]”. [...]
Und wenn wir die Worte von Raschi auf diese Art lesen, bringen sie in Wirklichkeit das ganze Buch Wajikra auf den Punkt: Wajikra enthält die Worte G"ttes, Welcher, letzten Endes, Nähe will und uns aus dem Stiftzelt ruft. Der uns durch dieses Buch einlädt, uns achtsam zwischen den Zuständen unserer Existenz zu bewegen und uns daran zu erinnern, dass wir immer in Bewegung sind.
Ich wünsche uns allen eine wunderbare und aufschlussreiche Reise durch das Sefer Wajikra und eine angenehme Vorbereitung auf Pessach.
Schabbat Schalom!
